Der Erste Weltkrieg in der Wahrnehmung der Araber

In den arabischen Ländern wurde bislang kaum an den Ersten Weltkrieg erinnert. Das liegt vermutlich daran, dass die arabischen Stämmen/Regionen erst nach der Unabhängigkeit in den vierziger Jahren die Staatsform als Nationalstaaten bekommen haben. Einige dieser Länder waren Teil des Osmanischen Reiches. Da die Türkei ein Kriegsbündnis mit Deutschland und Österreich-Ungarn geschlossen haben, haben rekrutierte und freiwillige Araber zuerst u. a. aus dem Nahen Osten und Ägypten als Soldaten und Offiziere in der türkischen Armee gegen die Entente-Staaten gekämpft. Andere arabische - außer der osmanischen Kontrolle - Regionen, waren am Kampf nicht beteiligt.

In der Zeitspanne 1916-1918 nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges fanden drei Hauptereignisse statt, welche die politische und soziale Zukunft bzw. Entwicklung der arabischen Welt damals und heute entscheidend beeinflusst haben. Diese sind: Die Arabische Revolte (gegen das osmanische Reich) 1916-1918, das Sykes-Picot-Abkommen 1916 und die Balfour-Deklaration 1917.

Einige der arabischen Stämme wurden erst unmittelbar im Kampf gegen die Osmanen involviert, als im Jahre 1915 der Großscherif von Mekka, Hussain Ibn Ali erfuhr, dass die Türken bereits seine Absetzung nach dem Ende des Weltkriegs geplant hatten. Er half demzufolge den Britten bei ihrem Kampf gegen die osmanische Armee. Die Briten standen schon nach der Niederlage bei Kut al Amara in der Defensive. Die aufgestauten Ursachen der arabischen Revolte bzw. des arabischen Aufstands gegen die Türken lagen schon aber mehrere Jahre zurück, und zwar im Jahre 1908 wegen der Hedschasbahn, aber auch aus der bewussten Nationlagefühlsidentität bei Städtebewohnern in Syrien und im Libanon. Hinter Hussains Unterstützung für das Vereinigte Königreich von England steckte letztlich auch ein Machtkalkül; er wollte seine bestehende Macht festigen und damit den Anspruch auf die arabische Stämmeführung im gesamten Nahen Osten erheben. Als Konsequenz rief sich der Haschemitische Emir Hussain 1916 zum König von Arabien aus. Der Traum von einer arabischen Einheit unter einem arabischen Reich zerplatzte jedoch endgültig, als Briten und Franzosen die arabischen Regionen gemäß dem Sykes-Picot-Abkommen 1916 unter sich in Interessensphären aufgeteilt haben. Damit wurde Hussain nur noch als König des Hedschas (im westlichen Teil des heutigen Saudi-Arabiens) anerkannt.

Mit der Balfour-Deklaration von 1917 wurde die Errichtung des unabhängigen Staates Israel im Mai 1948 geebnet. Die schwerwiegende Folge dieser Deklaration bekamen drei Jahrzehnte später insbesondere die Palästinenser an ihrem eigenen Leibe zu spüren, in dem sie große Teile Ihrer Heimat verloren haben und in den benachbarten Ländern als Flüchtlinge und überhaupt in der ganzen Welt in der Diaspora lebten.

Zusammenfassend hat der Erste Weltkrieg in der arabischen Welt keine besondere Bedeutung. Einerseits gehörten Teile der arabischen Gebiete dem osmanischen Reich. Andererseits hat das Bewusstsein der Nationalstaaten oder die Nationalidentität der eroberten und unabhängigen Gebiete überhaupt erst nach den Unabhängigkeitsphasen ab den Vierzigerjahren ihre Prägung erhalten. So gesehen haben sich die arabischen Stämme und Regionen/Städtebewohner entweder mit eigenen Stämmen oder Regionen identifiziert oder unter der osmanischen Führung und Verwaltung als Arbeiter, Soldaten, Bedienstete oder Beamten gedient. In beiden Fällen spielen die Ereignisse in der damaligen Epoche insofern eine Rolle nur in dem Zusammenhang mit den Osmanen. Diese Phase der Geschichte ist großenteils mit Unterdrückung und Unterwerfung in der Erinnerung und im Gedenken vieler Araber behaftet. Vielmehr werden partiell die oben erwähnten Ereignisse zwischen 1916-1917 mit dem heute politisch, wirtschaftlich, sozial und gesellschaftsstrukturell prekären, schwierigen und rückständigen Zustand als deren Folgen assoziiert.

Haytham Awad, M.A.